(Re)Produktion 2021

(Re)Produktion 2021

Eine Kernfrage der Ausstellung (Re)produktion besteht darin, ob die Marginalisierung von FLINTA* Personen durch die Coronapandemie 2020 verstärkt wurde oder einfach nur sichtbarer geworden ist. Wie aktuell wahrnehmbar ist, wurde der Zustand der Pandemie leider als Möglichkeit genutzt, Reproduktionsgesetze schnell zu verändern oder zu verabschieden und hat somit alten Rollenverteilungen den Wiedereinzug ins alltägliche Leben ermöglicht. Um hier nur ein Beispiel zu nennen, um diese prekäre Situation zu veranschaulichen: „Herausgeberinnen wissenschaftlicher Zeitschriften vermeldeten, Einreichungen von Männern seinen in den Wochen des Shutdowns um 50 Prozent gestiegen, während andere Wissenschaftlerinnen quasi überhaupt keine Texte mehr vorlegten.“( Aus dem Buch, „Zart und Frei“ von Carolin Wiedemann, S.26) Diese haben und hatten höchstwahrscheinlich nicht das nötige „Know How“, wie typische Antifeministen nun argumentieren würden, sondern die Betroffenen sind und waren während des Shutdowns mit existenziellen Problemen wie Jobverlust, Überbelastung am Arbeitsplatz, schließung der Kitas und Kindergärten usw. am kämpfen. Deshalb setzen wir den Fokus innerhalb der Ausstellung einerseits auf die Frage, warum Krisensituationen ein rückständiges Verhalten innerhalb der Gesellschaft evozieren und anderseits Beiträge herausstellen, die innerhalb der Krise Ansätze aufzeigen, die eine zukunftsfähige, queerfeministische Umgestaltung der (Re-)Produktiosverhältnisse ermöglichen können.
So behandelten die Werke der Gruppenausstellung 2021 Themen wie Körper, Verwundbarkeit, globale Machtdynamiken, Queerness, Arbeitsverhältnisse zu DDR-Zeiten, Mobilität, Popkultur und Geschlechterollen, im feministischen Kontext. Die einzelnen Positionen zeigten sich mal sanft und zart, dann verspielt und direkt, dokumentarisch oder abstrahiert.

Die Ausstellung fand im Rahmen des Feminismen Festivals in Halle (Saale) statt.

Video: Maria Mandalka

Fotografin: Mira Schneider

Under feminist construction 2021

Under feminist construction 2021

Die Arbeit 2.schicht beschäftigt sich mit dem Frauenbild zu DDR Zeiten. Die jungen Frauen auf den Fotografien tragen Dederon Kittelschürzen, welche zu DDR Zeiten von nahezu jeder Frau während der Haus- und Lohnarbeit getragen wurde. Schürzen als Kleidungsstücke, die als weiblicher Arbeit konnotiert sind, werden hier selbstbestimmt von einer jungen Generation getragen. In Kombination  mit Arbeitshosen aus Dederon werden sie zum neuen Arbeitsoutfit, welches fluide Geschlechteridentitäten zulässt. Gleichzeitig verweist die Kleidung auf die Rückentwicklung in Bezug auf das Frauenbild nach der Wiedervereinigung und einen Blick in Richtung Arbeitsrealitäten in der DDR. Das Ruhrgebiet als strukturschwache Region im Westen steht hier neben abgehängten Regionen, die sich zu großen Teilen immer noch im Osten befinden. Laut Statistik ist Gelsenkirchen die ärmste Stadt in Deutschland. Es gibt es also nach wie vor Hierarchien in Arbeitsbereichen. Vor allem weiblich konnotierte Arbeit wird immer noch schlechter bezahlt und Hausarbeit bleibt unbezahlt. Ein Umdenken in Richtung emanzipatorischer Arbeitsrealitäten steht aus!

Künstlerin (Kostüm/Konzept): Anne Reiter

Fotografinnen: Liv Plotz und Indra Helm

Modells: Helena Baumeister, Jill-Aurelia Pastore, Anne Reiter

Ausstellungsansichten bei „under feminist construction“, Bochum: Mona Dierkes

„Aus welchem Stoff ist die deutsche Einheit?“ 2021

Ost & West – Aus welchem Stoff ist die Deutsche Einheit?

Stoffe und Stofflichkeit verbinden und trennen.

Die Hamburger Künstlerin Anne Reiter bearbeitet mit handwerklichen Techniken wie Weben, Knüpfen und Siebdrucken Möglichkeiten von Erinnerungskulturen. Gemeinsam mit der Leipziger Künstlerin Sophie Lindner, welche die Pop-Kultur des Ostens mit dem Motiv des Planeten Saturn erforscht, hat ein Siebdruck Workshop in der Innenstadt Hamburgs Haltungen zu Ost & West erfragt.

Die Künstlerinnen sind Beide im Osten geboren und aufgewachsen. Als „Nachwendegeneration“ fühlen sie sich mit verantwortlich über den Stand der deutschen Einheit zu sprechen. Wo steht deutsch-deutsche Geschichte heute? Kann Erinnerungskultur verstofflicht werden und individuelle Bilder entstehen?

Passant:innen und Interessierte waren eingeladen mit den Künstlerinnen Ambivalenzen in Ost- und Westperspektiven zu verhandeln. Mit einem Konvolut an Motiven konnten die Teilnehmer:innen des Workshops Stoffe bedrucken, ihre Haltungen befragen und im zweiten Schritt in körpernahe Textilien verwandeln. Halstuch, Pioniertuch, Stola. Die Textilien konnten anschließend von den Teilnehmer:innen mitgenommen werden, sich im Privaten wie im Öffentlichen als zärtliche Gesten in oft verhärteten gesellschaftlichen Diskursen verteilen.

Der Siebdruckworkshop fand im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg statt und wurde gefördert vom Kultursommer Hamburg .

Fotograf: Tillmann Engel

Get together 2021

Get together 2021

Haben Objekte eine Seele? Wie werden vermeintlich leblose Dinge mit Bedeutung aufgeladen und mit Emotionen verknüpft? Wie werden Nahrungsmittel inszeniert, wenn sie z.B. in Discounter-Prospekten mit großer hässlicher Typografie versehen sind, die den stets niedrigsten Preis zeigt? Trost spenden, Geborgenheit bieten, Erinnerungen wecken – was ist es, was so viele Menschen oftmals ihr gesamtes Leben lang an ein Kuscheltier bindet und warum ist das den meisten so peinlich? Wie wird die DDR-Zeit im Westen erzählt? Was bleibt von den Geschichten von DDR-Gegenstände, 30 Jahre nach der friedlichen Revolution, bestehen?

Dies sind nur einige Fragen, die wir als acht Stipendiat*innen des stArt.up Jahrgangs der Claussen-Simon-Stiftung an einem Researchwochenende zum Thema Objektliebe bearbeitet haben. Vom 21.-23.05.2021 fand das interdisziplinäre Projekt „Get together“ in der Wassermühle in Trittau statt. Teilgenommen haben die Zeichnerin  Xiyu Tomorrow, die Bildende Künstlerin Anne Reiter, die Pianistin Elisaveta Ilina, die Malerin Judith Kisner, die Filmemacherin Faezeh Nikoozad, der Fotograf Vedad Divović, die Filmereggiseurin Lynn Oona Baur und die Theaterreggiseurin Franziska Stuhr. Das Projekt schlossen wir mit einer Ausstellung am 30.05.2021 im Rahmen des Tages der Künstlerhäuser Norddeutschlands des NKN Netzwerks ab.

Der Leitbegriff des „Get together“ war An-und Abwesenheit. Mittels Sound, den Umgang mit Objekten, Film und Fotografie erarbeiteten wir verschiedene Fragestellungen zum Phänomen der Objektliebe. So beschrieb Franziska Stuhr eine Rolle Kassenzettelpapier mit allen Objekten, die sie in den letzten 27 Jahren begleitet haben. Judith Kisner beschäftigte sich in ihren Malereien mit ihrer Liebe zu Löffeln.  Auch interaktive Projekte fanden während des Wochenendes statt. Lynn Oona Baur befragte ihre Kolleg*innen nach ihren Kuscheltieren und drehte daraus kleine Filme. Gespräche über Identitäten, Selbstbild und Plüsch entsponnen sich. Anne Reiter brachte zu dem Wochenende verschiedene DDR-Gegenstände mit und befragte Einzelpersonen nach ihren Assoziationsräumen zu den Gegenständen. Es entstanden Gespräche über den Osten heute, chinesische Schürzen, Familiengeschichten in der DDR und die Wende aus Perspektive eines iranischen Onkels in Göttingen. Aber auch ganz andere Formate entwickelten sich an dem Wochenende. So bot Elisaveta Ilina einstündige Sessions in der Alexander Technik an. Im historischen Mühlenraum wurden die Teilnehmer*innen in entspannter Atmosphäre einzeln angeleitet und behandelt. Aber auch individuelles Arbeiten an den eigenen künstlerischen Projekten fand an dem Wochenende statt. So arbeitete Vedad Divović an seiner „FOOD“-Serie weiter auf Grundlage von Werbeanzeigen von Discountern. Faezeh Nikoozaad beschäftigte sich mit der biografisch-narrativen Ebene von Gegenständen und ging dem Verhältnis von Menschen, die im Exil leben zu Gegenständen, die sie besessen haben, aber in ihrem Heimatland gelassen haben, nach. Die Zeichnerin Xiyu Tomorrow brachte ein Musikstück, das sie während des Aufenthalts in Trittau ununterbrochen hörte, zeichnerisch auf Papier.

Unsere verschiedenen Disziplinen und Fragestellungen flossen schließlich in der Ausstellung am 30.05. zusammen.

Die Ausstellung wurde gefördert von der Claussen-Simon-Stiftung und der Sparkassen-Stiftung Stormarn.

Fotografie Ausstellungsansichten: Benjamin Nurgenc

Something to go to 2021

Something to go to 2021

Im September 2021 verwandelten die bildenden Künstlerinnen Anne Reiter und Xiyu Tomorrow die Lübecker Altstadt in eine wandelnde Open-Air Galerie! Durch künstlerische Interventionen untersuchten sie mit den Besucher*innen und Passant*innen der Stadt, wie zwischenmenschliches Zusammenkommen nach der Pandemie aussehen kann: Kann ein gemeinsames Tun im öffentlichen Raum die Leerstellen des „Social Distancing“ füllen und Menschen in Kontakt bringen?
Nach eineinhalb Jahren „Stay-At-Home“ trugen die beiden Künstlerinnen textile und zeichnerische Arbeiten in den öffentlichen Stadtraum. Als Special Guest luden sie die Zeichnerin Vanessa Hartmann ein. Gemeinsam ist ihnen die Verhandlung und Bespielung des öffentlichen Raums als weibliche Kulturschaffende, was im besonderen Gegensatz zu den genutzten Techniken steht, die oft mit dem Geheimen, Privaten und Häuslichen in Verbindung stehen. Die Künstlerinnen arbeiteten im öffentlichen Raum, stellten in ihren Arbeiten gegenseitige Bezüge und Zitate her und verwoben so den Stadtraum zu einem dichten visuellen Gewebe. Als Begleitprogramm gab es an drei Abenden Pop-up Künstlerinnengespräche mit der Kunsthistorikerin Darya Yakubovich.

mehr Bilder zum Projekt: https://somethingtogoto.tumblr.com/

Das Projekt wurde gefördert vom Kulturfunke*
Fotograf: Vedad Divović
Fotograf (1.Foto): Tillmann Engel

mass accumulation 2020

mass accumulation 2020

Die Arbeit ist eine Reaktion auf die Lockdowns während der Pandemie. Das Zurückgeworfen sein auf die eigenen vier Wände erfordert eine Arbeit, die flexibel an unterschiedlichen Orten ausgeführt werden kann. Das Knüpfen funktioniert als unabhängige Tätigkeit von Infrastrukturen, die während Corona nicht mehr nutzbar geworden sind. Trotzdem büßt sie nicht in ihrer Größe und Intensität ein, da Textilien faltbar und damit gut verstaubar sind. Die verknüpften Alttextilien sind vorhandene Materialien, die in allen Haushalten zu finden sind. Die Arbeit reagiert auf das gezwungenermaßen zu Hause bleiben während Corona, bietet aber gleichzeitig Handlungsoptionen an.

Des Weiteren reflektiert mass accumulation die Arbeit im Privaten, also den eigenen vier Wänden. Der Bereich ist im Gegensatz zur Öffentlichkeit traditionell weiblich konnotiert. Gerade textile Handarbeiten dienten in der Geschichte zur Herausbildung eines weiblichen Sozialcharakters. Neben der Fremddisziplinierung und der Erziehung zum weiblichen Fleiß, hat die Arbeit auch emanzipatorische Momente. Die meditative Tätigkeit räumt der Knüpfenden genügend Zeit für Reflektionen, zum intellektuellen Weiterbilden oder zum Kommunizieren ein.

Während der Pandemie ist die eigene Wohnform zentraler geworden. Das Leben in gemeinschaftlichen Zusammenhängen hat sich teilweise als problematisch herausgestellt, aber auch seine Qualitäten gezeigt. Das „Nebenher“ des Knüpfens ermöglicht einen geistigen Austausch und Informationsfluss zu emotionalen und politischen Themen und zeigt das Privileg von Gemeinschaft auf. Gedanken, Ideen und Einflüsse der umgebenden Gemeinschaft fließen auf metaphorischer Ebene in die Tätigkeit des Knüpfens ein.

Die Arbeit zeigt die Bedeutung von Orten des Tuns und Zeigens auf. Liegend auf dem Boden erinnert sie an einen Teppich, der durch das Auslassen von Bereichen und Unebenheiten nicht seinen vorgesehenen Zweck erfüllen würde. Hängend versteht sich die Arbeit als Bild, die den Blick auf ihre Rückseite freigibt.

Mass accumulation ist als Denkteppich zu verstehen, aber auch Metapher für gesellschaftliche Prozesse während der Pandemie und eine Antwort auf Stagnation und Einsamkeit während Corona.

Ausstellungsansichten 4Wände 2020, Galerie Baturina Leipzig

mass accumulation 2020, hangeknüpfte Alttextilien auf Stramin, 70×500 cm

textiles against…2019

textiles against…(II) textiles against… (I) social carpet

textiles against…

Die Arbeiten textiles against… stellen Fragen nach der genderspezifischen Hierarchisierung zwischen angewandter und bildender Kunst. Die textilen Techniken, welche im Material selbst und durch die Motivik thematisiert werden, fordern ihren Stellenwert ein. Sie stehen im Bezug zu einer Geschichte,die das Textile und Dekorative durch Weiblichkeitszuschreibung diffamiert. Die Verknüpfung des Textilen und Dekorativen mit Weiblichkeit wird in den Arbeiten fortgeschrieben, jedoch stellen sie sich gegen die Geschichte, indem sie eine Aufwertung der Bereiche einfordern. Die Verwendung dieser Narrative, beschreibt einen Prozess der Aneignung und feministischer Selbstermächtigung. Die Arbeiten fordern Reflektionen über textile Mythen und ihren Genderkonstruktionen ein, stellen eine Kunstgeschichtsschreibung, die sich am männlichen Geniemythos abarbeitet in Frage und weisen auf eine feministische Lesart hin, die die Subjekt-Objekt Spaltung in Frage stellt. Das Textile darf zum Medium werden, der Körper darf mit den Arbeiten interagieren und sich selbst thematisieren. Sie fordern ihren eigenen Platz, nicht zuletzt durch ihre Größe und Farbigkeit im künstlerischen Diskurs. Sie sind Statements gegen einen diskriminierenden Genderdiskurs und für ein Denken außerhalb von Kategorien und Hierarchisierungen.

textiles against…(II) 2019

Ausstellungsansichten 2020, Wartenau 16 Hamburg

o.T., 2019, Siebdruck auf Textil, 800×580 cm (petrol)

o.T., 2019, Siebdruck auf Textil, 150×255 cm (lila)

o.T., 2019, Siebdruck auf Textil, 150×255 cm (lachsfarben)

o.T., 2019, Siebdruck auf Textil,150×250 cm (rot)

o.T., 2019, Siebdruck auf Textil, 140×250 cm (petrol)

Die Studiofotografien sind eine Zusammenarbeit mit Patterned Collective. Performerinnen: Lilli Döscher und Theresa Schnell Fotografin: Irène Mélix

social carpet 2019

o.T., Gewebe aus Alttextilien, 120×500 cm

Die Fotografien sind eine Zusammenarbeit mit Patterned Collective. Performerinnen: Lilli Döscher und Theresa Schnell  Fotografin: Irène Mélix

Textile Raumnahme 2021

Textile Raumnahme 2021

Mit dem zweiten Teil der Ausstellungsreihe „Textile Raumnahme“ nahmen die Künstler_innen My Schweer und Anne Reiter vom 18.06.-06.08.2021 den halböffentliche Raum des Westwerks in Leipzig ein.

In ihren Arbeiten thematisieren sie Geschlechterstereotype in Bezug auf Arbeit, gesellschaftliche Fragestellungen im Intuitiven und verschiedene Formen der Raumnahme und Stellungnahme.

In einer neu entstandenen Gemeinschaftsarbeit führen die Beiden ihre künstlerischen Fragestellungen zusammen und erweitern diese. Auf einer amorphen Gerüststruktur, die aus Tetraedern und Oktaedern besteht, kommen in den Motiven Fragen nach den Sehgewohnheiten von Geschlecht auf. An anderen Stellen treffen intuitiv die beiden Motivwelten aufeinander, kreuzen sich und bilden neue Farben und Formen.

„Textile Raumnahme“ ermöglicht einen narrativen Raum, der das Taktile mit seinem Kontext verwebt und Raum für Diskussionen öffnet.

Die Ausstellung wurde von der Gastspielförderung der Kulturstiftung Sachsen gefördert.